Wilfried Rumpf
„Also gut“, meinte er, „ich ‘ole Sie in zwei Stunden wieder ‘ier ab, und dann bin ich gespannt auf Ihre Meinung!“
„Abgemacht, ich verlasse mich auf Sie!“
Mit diesen Worten trennten wir uns, Luigi, der italienische Taxifahrer, und ich. Er hatte noch einige Fahrten vor sich, und ich verschwand in der Ausstellung „Körperwelten“. Von Hagens Plastinate hatten mich schon immer interessiert.
Ich war zu dieser Ausstellung mit dem Taxi gefahren und während der Fahrt mit Luigi ins Gespräch gekommen. Er war ein aufgeschlossener Italiener mit einem wehenden grün-lila Schal. Er begann gleich eine Unterhaltung, als er hörte, welches mein Ziel war. Er hatte einige Fotos von Plastinaten gesehen und war der Meinung, man dürfe den menschlichen Körper nicht so zur Schau stellen, es verstoße gegen die Menschenwürde und das christliche Menschenbild.
Ich erläuterte ihm meine Beweggründe, mir die Ausstellung anzuschauen, insbesondere wollte ich erfahren, was mir diese Plastinate unter dem Thema „Anatomie des Glücks“ über das Glück sagen könnten. Ich hatte Glück erfahren, sah aber keinen Zusammenhang zur Anatomie. Ich hatte eine echte Fastenwoche hinter mir, nur Säfte und dünne Suppen, und war von der Wirkung überrascht. Nach drei Tagen verspürte ich ein großartiges Glücksgefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Ich genoss das spirituelle Erlebnis und war stolz, dass mein Geist meinen Körper bezwungen hatte – zumindest mal für eine kurze Zeit, nämlich eine Woche. Aber ich wollte natürlich zurück zum normalen Leben und begann mit dem Fastenbrechen an einem Samstagmittag. Meine erste feste Nahrung nach einer Woche Fasten war ein Apfel, den ich auf einer Bank auf dem Bismarckplatz langsam, konzentriert und mit bedachter Achtsamkeit verspeiste. Nie wieder hat mir irgendetwas so gut geschmeckt. Ein Apfel sorgte für Wohlgefühl in meinem Magen und ein Glücksgefühl strömte durch meinen ganzen Körper. Nach der Erfahrung des Fastens fiel es mir leicht, mein reduziertes Gewicht zu halten und meine Ernährung umzustellen.
Als der Taxifahrer mich nach zwei Stunden abholte, schlug ich ihm vor, einen Umweg zu fahren, damit ich ihm von meinem Eindruck erzählen konnte. Zuerst berichtete ich ihm von meiner Fastenwoche. Er war verwundert und bewunderte mich ein wenig, wollte aber wissen, was mir die Ausstellung „gebracht“ habe.
„Ja, wissen Sie, ich habe einzelne Körperteile und ganze Körper plastiniert gesehen und bin voll staunender Ehrfurcht, was für ein wundervolles Werk der menschliche Körper ist und was wir schon alles über ihn wissen.“
„Aber ist es nicht eine ungebührliche Zurschaustellung gegen Geld?“ warf er ein.
„Nein“, antwortete ich, „so sehe ich das nicht. Wir leben nicht mehr im Mittelalter mit seinen Tabus, seinen Verboten und seiner Unwissenheit. Wir haben einen Verstand, mit dem wir unsere Umwelt und unseren Körper erforschen und neue Erkenntnisse gewinnen.“
„Und was ‘aben Sie von der Ausstellung gelernt?“ Luigi wollte es genau wissen.
Ich holte tief Luft: „Ich hab gelernt, dass Körper und Glück zusammenhängen – kein Glück ohne Körper. Meine Erfahrung mit dem Fasten wurde bestätigt, ich kann etwas für mein Glück tun, auch indem ich auf meinen Darm achte, er ist der Ursprung für Wohlbefinden. Gute Laune ist ohne gesunden Darm auf Dauer nicht möglich. Das Motto der Ausstellung ‚Darm gut – alles gut‘ hat mich überzeugt. Zumal ich jetzt weiß, dass der Darm direkt mit dem Gehirn in Kontakt steht und ihm Glückshormone liefert. Jeder Mensch wird mit einer Veranlagung zum Glück in seinen Genen geboren und kann – ich wiederhole mich – etwas für sein Glück tun.“
Luigi war beeindruckt und strich mit seiner rechten Hand nachdenklich über seinen grün-lila Schal: „Allora, capisco, Sie ‘aben mich zum Nachdenken gebracht. Ich werde mir die Ausstellung auch genau anschauen. Vielleicht ‘aben Sie mir den Weg zum Glück gezeigt. Sie brauchen für diese Fahrt nix bezahlen. ‘ier, nehmen Sie meinen Schal als kleines Dankeschön. Er soll zu Ihrem Glück beitragen.“
Dankend verabschiedeten sich zwei glückliche Menschen.